Regen, Regen, Regen. Der Hunger groß. Die Ungeduld auch. Alle Restaurants zwischen Cecina und Bibbona scheinen geschlossen. Plötzlich ein Schild in Marina di Bibbona Richtung Meer: Ristorante La Pineta. Der Gegencheck auf Google: geöffnet!
Der kleine Fiat rumpelt über den Sandweg unter den Pinien entlang bis hinunter zum Strand. Wir hoffen, dass das Restaurant wirklich geöffnet hat und atmen erleichtert auf, als wir den vollen Parkplatz sehen.
Das Gebäude, in dem sich das Restaurant befinden soll, sieht allerdings sehr einfach aus, im Regen trist und auch etwas heruntergekommen. Naja, besser als nichts sagen wir uns – wenn so viele Gäste da sind, scheint das Essen ja nicht so schlecht zu sein.
Michelin?!
Mein Mann steigt aus, um zu klären, ob wir um diese Uhrzeit – kurz nach 14 Uhr – überhaupt noch etwas zu essen bekommen.
Er läuft an zwei Frauen vorbei, die rauchend unter dem Vordach stehen, sonst sieht man niemanden. Ich bleibe im Auto, lausche dem Regen, der aufs Dach trommelt. Mein Magen knurrt.
Nach ein paar Minuten kommt er zurück, lächelt: „Es gibt noch einen Tisch. Und ja – die ‚Strandhütte‘ hier hat einen Michelin-Stern.“ Ich kann es kaum glauben. Michelin? Hier? Jetzt? Kurz zögere ich – dann denke ich: Na gut, wenn das Leben dir Champagner anbietet, trinke ihn.
Strandhütte mit Stern
Ich parke hinter dem SUV des Chefs und laufe noch immer etwas ungläubig zum Eingang. Der Patron begrüßt uns freundlich, der Kellner führt uns in einen Anbau – eine Mischung aus Laube und Strandhütte, mit Bambus verkleideten Wänden – an einen Tisch mit einer weißen Leinentischdecke, Silberbesteck und glänzenden Weingläsern. Ich staune: Eine Strandhütte mit Michelin-Stern!
Vor der Fensterfront tost das Meer, die Wellen rollen auf uns zu und schlagen so kräftig an den Strand, dass der Boden leicht vibriert. Dann, plötzlich: ein Sonnenstrahl. Er bricht durch die Wolken, taucht alles in goldenes Licht.
Ich schaue mich um: Fast alle Tische sind besetzt, bei uns im Anbau und im Hauptraum, der direkt angrenzt. Was für ein Glück, dass wir noch einen Platz bekommen haben!
Die Speisekarte verspricht Leckeres: Spaghetti alle vongole, Linguine mit Wolfsbarsch, es gibt auch vegetarische Optionen. Man kann eine ganze Menüabfolge bestellen oder nur einzelne Gerichte. Da es schon so spät ist, entscheiden wir uns für Pasta, einmal mit Muscheln, einmal vegetarisch …
Nach dem Bestellen berät der Sommelier zum Wein, damit er auch wirklich zur Pasta passt. Für mich wird der alkoholfreie Sekt geöffnet.
Als das Essen kommt, wird es still bei uns am Tisch. Die Gerichte sind kleine Kunstwerke – duftend, klar, mit dieser typischen italienischen Eleganz. Jeder Bissen harmoniert und macht uns glücklich.
„Der Stil des Hauses bleibt seiner Identität treu: keine modischen Kapriolen, keine Jagd nach Trends. Stattdessen bietet man eine ehrliche, unverfälschte Küche, die perfekt mit dem angenehm nostalgischen Ambiente des Innenraums harmoniert.“, lese ich später im Michelin-Guide. Und das trifft es genau.
Die Kellner sind aufmerksam, ohne aufdringlich zu sein. Die Atmosphäre ist ruhig, gelassen, fast familiär.
Espresso in großen Tassen
Während wir noch unsere Pasta genießen, sind die meisten Gäste schon beim Caffé angekommen. Zuckerpäckchen rascheln, leise klirren die Löffel beim Umrühren an den Rändern der großen Tassen, in denen hier der kleine Espresso serviert wird. Ich wundere mich kurz – Espresso in großen Tassen? In Italien?
Dann begreife ich: Es passt genau hierher. Kein schneller „caffè al banco“, kein hektisches Schlürfen an der Bar. Hier darf der Espresso atmen, seinen Duft entfalten, er ist wie eine kleine Verlängerung des Menüs. Er lädt zum Nachspüren ein – so wie dieses ganze Mittagessen.
Aus dem Hauptraum klingt das zufriedene Summen jener Gespräche zu uns herüber, die nur dann entstehen, wenn Leib und Seele gleichermaßen satt und zufrieden sind.
Ambiente zum Wohlfühlen
Zwischen Dessert und abschließendem Caffé treten wir hinaus auf die Terrasse, auf der man bei schönem Wetter auch essen kann. Heute pfeift uns hier der Wind um die Ohren und wir kehren lieber zurück in unsere ‚Strandhütte‘. Hier ist es warm und gemütlich. Wir setzen uns wieder an unseren Tisch, genießen Espresso und Meerblick.

Alle weg, nur wir genießen noch.
Plötzlich fällt mir auf, dass wir die letzten Gäste sind. Aber niemand bittet uns, zu gehen. Als wir uns endlich losreißen können von dem Blick aufs Meer und dem wohligen Ambiente, verabschieden uns Kellner und Chef wie gute Freunde.
Wir treten hinaus in den Wind – erfüllt, satt, glücklich.
Wenn das Leben Champagner anbietet …
Manchmal schenkt dir das Leben keinen Plan, sondern eine Überraschung. Keine Reservierung, kein Dresscode, kein Anlass – nur Regen, Hunger und das Glück, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Und dann sitzt du plötzlich in einer Strandhütte mit Michelin-Stern, schaust aufs Meer und weißt: Wenn dir das Leben Champagner anbietet – trinke ihn!
Tipp & Info
Wenn du in Marina di Bibbona bist, unbedingt besuchen: Ristorante La Pineta, Reservierung empfohlen. Infos: La Pineta Marina di Bibbona
Was 1 Michelin-Stern bedeutet: „Ist einen Stopp wert. Hier findet man eine Küche voller Finesse.“
Keine Werbung, nur das Glück des Augenblicks wiedergegeben.


